Das offizielle Gründungsdatum des Verfassungsgerichts der Russischen Föderation ist der 30.Oktober 1991.
Die Entwicklung der Verfassungskontrolle in Russland hat ebenfalls historische Wurzeln: schon in der sowjetischen Periode wurden Versuche vorgenommen, das Organ der Verfassungskontrolle zu institutionalisieren. In den Jahren 1990 und 1991 war das Komitee für Verfassungsaufsicht zum ersten Mal Kontrollinstanz, um die Verfassungsmassigkeit staatlichen Handelns zu überprüfen, freilich noch mit sehr geringen Kompetenzen. Hierzu wurde auch Erfahrungen des Obersten Gerichts bei der verfassungsgerichtlichen Kontrolle über die Akte der Unionsrepubliken, der zentralen Organe der Volkskommissariate der UdSSR und der Tätigkeit des Komitees der Verfassungsaufsicht zu Beginn der 90-er Jahren benutzt.
Daneben etablierte Russland bereits 1991 durch das Gesetz „Über das Verfassungsgericht der RSFSR“ vom 12.Juli 1991 ein Verfassungsgericht im eigentlichen Sinn, das mit recht weitreichenden Befugnissen ausgestattet war und eine rege Rechtsprechungstätigkeit entfaltete. In seiner ersten Entscheidungen leistete das Verfassungsgericht in der ersten Periode seiner Tätigkeit in Januar 1992 bis Oktober 1993 bereits einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Schaffung rechtlicher Strukturen in Russland. Diese Entscheidungen werden vom Verfassungsgericht auch heute noch gelegentlich herangezogen.
1993 ließ sich das Gericht in die politische Auseinandersetzungen zwischen Präsident und dem russischen Parlament hineinziehen. Unter den Bedingungen der wachsenden politischen Gegensätze zwischen dem Präsidenten der Russischen Föderation und dem Obersten Sowjet der RF, die dadurch gekennzeichnet waren, dass der Präsident den Erlass vom 21. September 1993 Nr. 1400 „Über die etappenmäßige Verfassungsreform in der RF“ herausgab und das Verfassungsgericht der RF ein Gutachten vom 21. September 1993 Nr. 3–2 verfasste, in dem konstatiert wurde, dass genannte Erlass der Verfassung der RF widerspricht, erklärten eine Reihe von Verfassungsrichtern des Verfassungsgerichts der RF ihren Verzicht, an den Verhandlungen des Verfassungsgerichts der RF teilzunehmen.
Im Oktober 1993 wurde die Tätigkeit des Gerichts durch einen Erlass des russischen Präsidenten zunächst suspendiert. Nach Annahme einer neuen Verfassung im Dezember 1993 und Verabschiedung eines neuen Gesetzes im Juli 1993 dauerte es dann aber noch ein halbes Jahr, bis sich das Gericht neu konstituiert hat und im Marz 1995 seine Entscheidungstätigkeit wieder aufnehmen konnte.
Der Präsident der RF betrachtete als durchaus möglich, dass das Verfassungsgericht seine Tätigkeit ohne vollständige Richterbank aufnimmt und Verhandlungen bis zur Annahme der neuen Verfassung der RF einberuft. Der Föderalen Versammlung der RF wurde vorgeschlagen, die organisatorisch-rechtlichen Formen der Verfassungsgerichtsbarkeit in der RF als eine Frage von außerordentlicher Bedeutung zu betrachten. Als eine wesentliche Besonderheit der Vorbereitung des Entwurfs eines neuen Gesetzes über das Verfassungsgericht der RF auf der Grundlage der Verfassung der RF von 1993 erwies sich darin, dass seine Ausarbeitung nicht im Gesetzgebungsorgan, sondern im Verfassungsgericht selbst erfolgen sollte. Das gestattete es, ein hohes professionelles Niveau bei der Ausarbeitung des Gesetzesentwurfs zu sichern.
Bemerkenswert war auch die Teilnahme von Verfassungsrichtern der Bundesrepublik Deutschland an der Erörterung des Gesetzesentwurfs. Eine Gruppe von russischen Verfassungsrichtern diskutierte im Verlauf von zwei Tagen das Projekt mit sieben Verfassungsrichtern und dem Leiter des Sekretariats des BVerfG der Bundesrepublik Deutschland. Die Diskussion betraf insbesondere die Grenzen der Befugnisse des Verfassungsgerichts der RF, den Status des Gerichts, den Verfassungsprozess und die Rechtskraft der Entscheidungen des Verfassungsgerichts.